Woche 4 meines neuen Lebens in Richtung Idealgewicht bricht an. Und heute ist der große Tag gekommen, heute ist der erste Wiegetag. Standhaft habe ich der Versuchung widerstanden, mich jeden Tag auf das verhasste Ding zu stellen. Ich möchte keinen kurzfristigen Erfolg, sondern ein Mehr an Gesundheit und eine langfristige Ernährungsumstellung erreichen. Rede ich mir jeden Tag aufs Neue ein, wenn die Waage mir verheißungsvoll aus der Ecke zuzuzwinkern scheint. Nein, nach vier Wochen erst möchte ich meinen Erfolg beim Abnehmen überprüfen. Heute, ja, HEUTE wird sich herausstellen, ob sich die Selbstkasteiung und die zusätzliche Bewegung, die mich mit Sicherheit irgendwann umbringt, auszahlen.
Die Waage – Freund und Feind der Frau
Splitterfasernackt und nach dem morgendlichen Gang zur Toilette stelle ich mich also meinem größten Feind, der Waage. Kein Kleidungsstück und kein überschüssiges Wasser soll das Ergebnis verfälschen, ich fühle mich leicht wie eine Feder. Mit Schwung betrete ich die Waage und kneife die Augen fest zu. Nach einigen Sekunden blinzle ich verzweifelt nach unten in Richtung Anzeige…und sehe…und begreife… SIE BEWEGT SICH DOCH! Satte 3,2 Kilogramm weniger in genau vier Wochen Diät und Askese! Juchhuuu, der Morgen ist gerettet, ich tanze wild im Badezimmer herum, bis ein vorsichtiges Klopfen an der Tür meinen Jubel unterbricht. Mein Mann fühlt sich gestört von meinen lautstarken Bekundungen der Freude zu früher Stunde. Als ich ihm japsend erkläre, warum ich mitten in der Nacht wie eine wildgewordene Irre nackt herumspringe und dabei übers ganze Gesicht strahle, erklärt er mich für nicht mehr zurechnungsfähig, murmelt „Jetzt dreht sie endgültig durch…!“ in seinen nicht vorhandenen Bart und verzieht sich schnell aus der Gefahrenzone.
Mein Körper ist mein Kapital
Voller Hingebung nutze ich die nächste Stunde, um meinen Astralleib sorgfältig mit hochwertiger Creme und verschiedenen Peelings zu verwöhnen. Ich mag mich! ICH MAG MICH! Immer wieder bewundere ich mich im Spiegel. Jetzt, wo ich es weiß auf schwarz auf der digitalen Anzeige der Waage gesehen habe, gefällt mir mein Körper von Minute zu Minute besser. Fröhlich pfeifend bereite ich das Frühstück für meine Lieben zu und habe doch immer nur die Zahl von minus 3,2 Kilogramm vor Augen. Auf dem Weg in die Arbeit strahle ich jeden Mitreisenden in der U-Bahn an und begrüße den Portier auf dem Firmengelände mit einem mehr als freundlichen „Guten Morgen!“ Die Luft ist glasklar und frisch an diesem Morgen und die aufgehende Sonne verspricht einen gelungenen Tag. Ich bewege mich leicht hopsend den Gang in Richtung meines Büros hinunter, meine Kollegen blicken mich verwundert an. Ich rufe ihnen nur laut juchzend „Minus 3,2 Kilo!“ zu, als würde das alle offenen Fragen der Welt beantworten. Meine beste Freundin gratuliert pflichtschuldigst und freut sich natürlich mit mir. Trotzdem ertappe ich sie dabei, wie sie sich schon einmal mit ausreichend Aspirin, drei Packungen Trost-Gummibärlis sowie einer Familienpackung Taschentücher eindeckt. Nur Vorsorgemaßnahmen, meint sie, wenn die erste Weltuntergangstimmung meinerseits am Horizont erscheint. Denn der erste Rückschlag meiner Diät ist laut meiner – bis jetzt – allerbesten Freundin so sicher wie meine monatlichen hormonellen Stimmungsschwankungen. Warum kann sie sich nicht für mich freuen? Die Welt ist doch so schön und der Himmel hängt voller Geigen, meint
Eure Conny